Thomas Fischer verrennt sich in seinem berechtigen Hass auf die Korruption im Gesundheitswesen

Weil alles sich immer weiter entwickelt, Barrieren fallen und Privates sich nicht länger von Öffentlichem unterscheidet, dürfen Richter des Bundesgerichtshofs jetzt auch ellenlange, Gift speiende Rants auf ZEIT online veröffentlichen: Thomas Fischer, Richter am Bundesgerichtshof, hat sich in seinem Blog auf ZEIT Online seine Wut und Hass auf das deutsche Gesundheitswesen von der Seele geschrieben: Auf Ärzt_innen, auf Pharma_vertreterinnen, auf absurd schlechte medizinische Promotionen und: Überhaupt!
Bemerkenswert, denn er war selbst an der Urteilsfindung 2012 beteiligt, die erstmals feststellte, dass die_der Gesetzgeber_in nachdenken sollte, ob man nicht auch für Mediziner_innen den Tatbestand der Korruption festschreiben sollte. Das ist nun geschehen, aber das nutzt Thomas Fischer nicht für einen positiven Ausblick in eine möglicherweise bessere, aufrichtigere Zukunft des Gesundheitswesen. Er nutzt es auch nicht, um mögliche Schwächen im jetzt beschlossenen Gesetzentwurf aufzuzeigen. Nein, Thomas Fischer schüttet in der undifferenziertesten Art und Weise einfach das Gesundheitswesen in seiner Gänze und jeden einzelnen Beteiligten mit dem Bade aus:
Aufkündigen sollen alle Patient_innen ihren Behandelnden das Vertrauen. Das Ärzt_innen-Patient_innen-Verhältnis sei Lüge. Patient_innen sollen ihre Behandelnden Erklärungen unterschreiben lassen, in denen sich diese der Unbestechlichkeit verpflichten.

Wir sind eigentlich einer Meinung mit ihm: Auch wir haben oft die Korruption im Gesundheitswesen beklagt, haben dafür gesorgt, dass im letzten grünen Bundestagswahlprogramm der Grünen ein Straftatbestand für Ärzt_innenkorruption gefordert wurde. Haben ausführlich beschrieben, was das Gesundheitswesen strukturell bedingt so viel anfälliger macht für Korruption als andere Wirtschaftsbereiche. Aber die Lösung, die Thomas Fischer hier vorschlägt, sie ist keine brauchbare: Mehr Skepsis und mehr Kontrolle durch die Patient_innen selbst wird nicht die Korruption beseitigen: Die Aufeklärtheit, die Fischer von Patient_innen einfordert können nur jene gegenüber ihren Behandelnden aufbringen, die noch in ausreichendem Besitz über ihre geistigen und körperlichen Kräfte sind. Genau das ist aber bei vielen kranken Menschen nicht gegeben, weshalb sie eben nicht jene Kontrollfunktion ausüben können, die Thomas Fischer ihnen hier anrät. Nein, Patienten, die ihre Ärzt_innen Selbstverpflichtungen zur Unbestechlichkeit unterschreiben lassen werden das Korruptionsproblem nicht lösen. Auch der jetzt beschlossene Gesetzentwurf wird das Problem nur dann etwas abmildern können, wenn die ermittelnden Strukturen gegen Fehlverhalten und Korruption im Geseundheitswesen deutlich aufgestockt werden. Das einzige aber, was dauerhaft und nachhaltig die Korruptionsanfälligkeit des Gesundheitswesens behandeln kann ist: Mehr Transparenz: Wir alle müssen endlich auf verlässliche Zahlen zurückgreifen können, die die Qualität und die Kosten unserer Kliniken und auch der Niedergelassenen für alle verfügbar prüfen lassen. Nicht mehr, nicht weniger.

Aber was sag ich denn.

Ich bin ja auch so eine “Freundin der Magnetresonanztomografie”, wie Thomas Fischer das charmanterweise nennt;)

PS Mein Lieblingssatz seines Textes ist übrigens:  “Dreihundert Milliarden – das sind dreihunderttausend Millionen – fließen in jedem Jahr durch dieses System, wie die Fernwärme durch die Rohrleitungen des deutschen Ostens vor der “Wende”.” Es gibt nichts diskreditierenderes als Zonen-Vergleiche. Nice one.

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